Wer seine blinden Flecken nicht kennt, führt riskant

Unbewusste Dynamiken in der Führung erkennen und nutzen


Blinde Flecken als unsichtbare Mitspieler in der Führung


In meinen Jahren als Führungskraft im Handel und in der Logistik habe ich unzählige Entscheidungen getroffen – strategische, operative, personelle. Ich hielt mich für faktenorientiert, analytisch, nüchtern. Doch rückblickend sehe ich: Nicht alles war reine Rationalität. Manche Entscheidungen waren von inneren Mustern geprägt, die mir damals nicht bewusst waren.

Diese Dynamiken wirkten wie ein unsichtbarer Mitspieler. Sie bestimmten, welchen Konflikten ich auswich, wie ich unter Druck reagierte, wem ich vertraute und wann ich Kontrolle abgab. Erst später lernte ich das Konzept kennen, das C.G. Jung „Schatten“ nannte – Persönlichkeitsanteile, die wir nicht wahrhaben wollen. Heute sprechen wir dafür oft einfacher von blinden Flecken.


Blinde Flecken – was Jung den „Schatten“ nannte


Carl Gustav Jung beschrieb den Schatten als die Summe der Eigenschaften, die wir nicht in unser Selbstbild integrieren können. Manche lehnen wir ab (z. B. Unsicherheit, Angst, Wut), andere trauen wir uns gar nicht zu (z. B. Mut, Fürsorglichkeit, Kreativität).


Porträt von Carl Gustav Jung um 1950, gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons

 

Egal ob positiv oder negativ: Was nicht in unser Selbstbild passt, wandert ins Unbewusste. Es verschwindet nicht – sondern wirkt weiter, besonders in Drucksituationen.

Blinde Flecken äußern sich dabei auf drei Arten:

  • Verdrängte Persönlichkeitsanteile, die im entscheidenden Moment automatisch hochkommen.

  • Projektionen, bei denen wir anderen Eigenschaften zuschreiben, die wir in uns selbst nicht sehen wollen.

  • Verhaltensmuster, die aus alten Erfahrungen stammen und heute wie Autopilotprogramme ablaufen.

Für Führungskräfte ist das entscheidend: Wer seine blinden Flecken nicht kennt, führt riskant.


Wie sich blinde Flecken im Führungsalltag zeigen


Blinde Flecken machen sich in wiederkehrenden Mustern bemerkbar. Viele Führungskräfte reagieren unter Druck nach inneren Antreibern wie „Sei stark!“, „Mach es allen recht!“ oder „Sei perfekt!“. Diese Antreiber sind nichts anderes als Ausdruck unbewusster Prägungen.

Ein Beispiel:
Eine Führungskraft vermeidet offene Konflikte. Sie redet Probleme lieber klein – was nach Diplomatie aussieht, aber oft auf einem blinden Fleck beruht: der Angst, abgelehnt zu werden. Verstärkt durch den Antreiber „Mach es allen recht!“ wird daraus ein unbewusstes Muster, das konstruktive Diskussion verhindert.

Das Problem: Solange wir überzeugt sind, völlig bewusst zu handeln, fehlt uns der Hebel zur Veränderung. Erst wenn wir unsere blinden Flecken erkennen, entsteht Wahlfreiheit.


Warum wir unsere blinden Flecken nicht sehen


Neurowissenschaftlich ist das leicht erklärt: Unser Gehirn verarbeitet pro Sekunde Millionen Informationen – bewusst nehmen wir nur wenige Dutzend wahr. Der Rest bleibt unbewusst.

Diese unbewusste Ebene filtert und steuert unsere Reaktionen. Sie entscheidet blitzschnell, noch bevor wir rational darüber nachdenken. Was Jung als „Schatten“ bezeichnete, zeigt sich also schlicht darin, dass unser bewusstes Ich nur ein kleiner Ausschnitt ist – der Rest bleibt im blinden Winkel.


Wege, blinde Flecken sichtbar zu machen


Blinde Flecken zu erkennen ist kein einmaliges Projekt, sondern ein Prozess. Vier Zugänge sind besonders wirkungsvoll:

  1. Selbstbeobachtung unter Stress

    • Frage dich: In welchen Situationen überreagiere ich? Wo ziehe ich mich zurück? Wo bin ich getrieben?

    • Dahinter liegt meist ein unbewusster Anteil, der gehört werden will.

  2. Echtes Feedback einholen

    • Bitte Kolleg:innen, Freunde oder Deinen Partner bewusst um Rückmeldung: „Wo erlebst du mich anders, als ich mich selbst sehe?“

    • Die Antworten zeigen oft genau das, was im eigenen Blickfeld fehlt.

  3. Coachingangebote nutzen

    • Ein externer Spiegel macht sichtbar, was wir selbst übersehen – ohne dass wir in Selbstkritik hängen bleiben.

  4. Körpersignale ernst nehmen

    • Unser Körper spürt Blinde Flecken oft früher als der Kopf: Enge im Hals, angespannte Schultern, schneller Puls.

    • Diese Signale sind keine Schwäche, sondern Wegweiser.


Führung durch Integration von blinden Flecken


Sobald Führungskräfte ihre blinden Flecken erkennen, verändert sich ihr Führungsverhalten spürbar:

  • Mehr Klarheit: Entscheidungen basieren weniger auf unbewussten Ängsten.

  • Weniger Projektionen: Konflikte werden sachlicher, weil sie nicht mit eigenen Themen überlagert sind.

  • Gesündere Beziehungen: Mitarbeitende erleben Authentizität statt Rolle.

Beispiel:
Eine Führungskraft erkennt, dass ihr Kontrollbedürfnis aus der Angst vor Fehlern stammt. Sie akzeptiert, dass Fehler Teil jedes Prozesses sind – und beginnt, Verantwortung zu delegieren. Das Team reagiert mit mehr Eigeninitiative und besserer Zusammenarbeit.

Die Erfahrung: Wer seine blinden Flecken integriert, wirkt nicht schwächer, sondern souveräner und präsenter.


Fazit & Einladung zur Reflexion


Führung ist mehr als Strategie, Organisation und Kommunikation. Sie ist auch ein Spiegel unserer inneren Welt. Blinde Flecken sind dabei kein Feind – sie sind Lehrer.

Die entscheidende Frage lautet:
Welche Anteile in mir habe ich bisher nicht sehen wollen – und wie beeinflussen sie meine Führung?

Wer sich selbst im Licht und im Schatten kennt, kann andere klar, authentisch und wirksam führen.


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Emotionen im Führungsalltag – unterschätzt und unverzichtbar

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