Dein Körper spricht

1. Wenn der Körper schneller reagiert als der Kopf

Führung bedeutet Klarheit, Entscheidungsfähigkeit und Präsenz. Doch all das beginnt nicht nur im Kopf – sondern im Körper. Viele Führungskräfte glauben, sie seien rational gesteuert. In Wahrheit trifft unser Nervensystem längst Entscheidungen, bevor wir bewusst darüber nachdenken.

Der Körper reagiert auf Stress, Unsicherheit oder Druck mit einer Geschwindigkeit, die der Verstand kaum einholen kann. Herzrasen in schwierigen Gesprächen, Enge im Brustkorb vor kritischen Entscheidungen, verspannte Schultern nach stundenlangen Meetings – all das sind Körpersignale, die präziser und schneller warnen, als es unser rationales Denken jemals könnte.

Ich erinnere mich an viele Momente in meiner eigenen Führungszeit, in denen mein Körper längst Alarm geschlagen hatte, ich aber im Kopf „stark“ bleiben wollte. Das Ergebnis: verspätete Reaktionen, unklare Kommunikation, manchmal auch Fehlentscheidungen. Heute weiß ich: Wer seinen Körper nicht einbezieht, führt nur mit halber Kraft. Die gute Nachricht: Körperbewusstsein lässt sich trainieren – pragmatisch, wirksam und ohne esoterischen Ballast.

2. Stress verstehen: Was im Körper wirklich passiert

In Drucksituationen übernimmt das Nervensystem – und zwar automatisch. Die wichtigsten Mechanismen:

·        Die Amygdala im limbischen System– unser inneres Alarmsystem, das Gefahr blitzschnell erkennt

·        Das Stresshormonsystem (Cortisol, Adrenalin), das den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet

·        Das autonome Nervensystem, das permanent zwischen Aktivierung (Sympathikus) und Beruhigung (Parasympathikus) balanciert

Schon ein kritischer Blick im Meeting oder eine Mail mit unerwartetem Inhalt reicht, damit das limbische System anspringt. Noch bevor wir den Satz vollständig gelesen haben, ist der Körper bereits in Alarmbereitschaft: Puls steigt, Atmung wird flach, Muskeln spannen sich an, der Blick verengt sich.

Diese Reaktionen sind uralt – früher halfen sie, vor Gefahren zu fliehen oder blitzschnell zu handeln. Im Führungsalltag äußern sie sich subtiler: in Gedankenkreisen, Reizbarkeit, Entscheidungslähmung oder impulsiven Reaktionen. Wer das nicht erkennt, läuft Gefahr, immer wieder in unbewusste Muster zu verfallen – statt bewusst zu führen.

3. Führungspräsenz und Nervensystem: Warum Ruhe ansteckend ist

Führungsstärke zeigt sich nicht nur in Worten oder Strategien, sondern in einer körperlich spürbaren Präsenz. Mitarbeiter:innen merken sehr genau:

·        Ist mein:e Vorgesetzte:r innerlich klar?

·        Ist er/sie präsent oder gedanklich woanders?

·        Strahlt er/sie Ruhe und Sicherheit aus – oder unterschwellige Nervosität?

Unser vegetatives Nervensystem sendet diese Signale permanent. Ist der Körper reguliert, wirkt das wie eine stille Einladung an das Umfeld: „Es ist sicher, hier offen zu sprechen und zu handeln.“ Ist der Körper im Alarmmodus, senden wir Stress – selbst wenn wir freundlich lächeln.

Die Polyvagal-Theorie von Stephen Porges belegt eindrucksvoll, dass Vertrauen und Kooperation erst entstehen, wenn unser Gegenüber Signale von Sicherheit empfängt. Eine hektische, angespannte Führungskraft überträgt unbewusst Unruhe. Eine regulierte, geerdete Führungskraft schafft psychologische Sicherheit – und das ist die Grundlage für Innovation, Motivation und Teamleistung.

4. Körpersprache ist mehr als Wirkung – sie ist Ausdruck innerer Zustände

Viele Trainings zur Körpersprache bleiben an der Oberfläche: „Stell dich gerade hin, halte Blickkontakt, benutze offene Gesten.“ Das mag kurzfristig helfen, erzeugt aber keine nachhaltige Wirkung. Denn Körpersprache ist kein einstudierter Trick, sondern der Spiegel unserer inneren Zustände.

Authentische Wirkung entsteht, wenn Körpersprache, Stimme und Inhalt übereinstimmen. Ein Beispiel: Du sagst im Teammeeting „Alles unter Kontrolle“, aber dein Körper sendet Anspannung, dein Blick ist fahrig und deine Stimme gepresst. Das Ergebnis: Dein Team glaubt dir nicht – auch wenn es rational keine Beweise für Unsicherheit gibt.

Die Embodiment-Forschung zeigt: Körper und Geist beeinflussen sich wechselseitig. Wer bewusst aufrecht steht, tief atmet und die Schultern entspannt, sendet nicht nur Signale an andere, sondern beruhigt auch das eigene Nervensystem. Umgekehrt gilt: Innere Ruhe strahlt unweigerlich nach außen. Diese Wechselwirkung ist das Fundament stimmiger und glaubwürdiger Führung.

Sehr empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang der TED-Talk von Amy Cuddy zum Thema „Body Language“ – mit fast 30 Millionen Aufrufen ein starkes Beispiel für das weltweite Interesse an diesem Thema (link).

5. Körperbewusstsein als Führungsinstrument

Der Körper ist nicht nur Reaktionsorgan, sondern ein Resonanzraum für Wahrnehmung, Intuition und Entscheidung. Viele der besten Führungspersonen berichten, dass sie „spüren“, wenn eine Entscheidung stimmig ist – noch bevor sie alle Fakten gesammelt haben.

Konkrete Beispiele:

·        Du spürst eine innere Irritation bei einem Projekt – obwohl auf dem Papier alle Statusampeln „auf grün“ sind.

·        Dein Bauchgefühl meldet sich in einem Bewerbungsgespräch, bevor dein Kopf die Zweifel in Worte fassen kann.

·        Du bemerkst, dass du dich in einem Konflikt innerlich verschließt – auch wenn du nach außen ruhig wirkst.

Diese Körpersignale sind wertvolle Datenquellen. Wer sie wahrnimmt und mit rationalen Überlegungen abgleicht, trifft klarere und nachhaltigere Entscheidungen.

6. Praxis-Impulse: Den Körper im Führungsalltag nutzen

a) 30 Sek.-Präsenz-Check-in vor Entscheidungen
Bevor du in ein wichtiges Meeting gehst: 30 Sekunden innehalten. Atmung wahrnehmen, Spannungen lokalisieren, innere Haltung justieren. Dieser Mini-Check-in bringt dich sofort in einen klareren Zustand.

b) Ruhe durch Verbindung statt Konfrontation
Wenn dein Körper in Alarmbereitschaft geht (flacher Atem, Herzrasen, Anspannung), zwing dich nicht zum „Durchziehen“. Gehe erst in Verbindung: ein ruhiger Blick, ein echtes Lächeln, ein kurzer Moment der Zugewandtheit. Dein Nervensystem beruhigt sich – und das deines Gegenübers gleich mit.

c) Körpersignale als Entscheidungshilfe
Wenn dein Körper reagiert, hat er einen Grund. Frage dich: „Wovor warnt mich mein Körper gerade?“ – und gleiche das mit den sachlichen Argumenten ab. Oft entsteht daraus eine deutlich bessere Entscheidung, als wenn du dich nur auf Zahlen und Fakten stützt.

d) Atem als Führungsinstrument
Gezielte Atemsteuerung wirkt wie ein Reset für dein Nervensystem. Ein tiefer, bewusster Atemzug zwischen zwei Sätzen im Meeting kann Wunder wirken: Du bleibst klar, regulierst Spannung und vermeidest impulsive Reaktionen.

7. Fazit: Der Körper als Führungsressource

Nur wer sich selbst regulieren kann, kann andere souverän durch Unsicherheit führen. Der Körper liefert jederzeit unbestechliche Signale – Herzschlag, Atmung, Muskelspannung, Bauchgefühl.

Führung ohne Körperbewusstsein ist wie Autofahren ohne Cockpit-Anzeigen: möglich, aber riskant.
Die gute Nachricht: Du musst kein Yoga- oder Meditationslehrer werden, um das zu nutzen. Es reicht, deinem Körper wieder zuzuhören und einfache Selbstregulationstechniken in den Alltag zu integrieren.

Je besser du das tust, desto spürbarer wird deine Führungswirkung. Oder in einem Satz: Wer den Körper nicht einbezieht, führt nur mit halber Kraft.

Möchtest du lernen, wie du Körpersignale bewusster wahrnimmst und für deine Führungsarbeit nutzt? Dann lass uns sprechen. Ich begleite Führungskräfte auf dem Weg zu mehr Präsenz, Wirkung und Klarheit – körperlich fundiert und neurophysiologisch verankert.

 

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Möchtest Du weitere Informationen über mich oder unsere mögliche Zusammenarbeit, dann besuche gerne mein Homepage www.achtsame-fuehrung.de

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Wer seine blinden Flecken nicht kennt, führt riskant

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