Von Empathie zum Mitgefühl – Mitgefühl schafft, was Kontrolle nie erreicht
„Es ist alles zu viel!“ Dein Mitarbeiter macht sich ehrlich
Einer deiner erfahrensten Mitarbeitenden übernimmt zusätzlich zur Linienverantwortung die Leitung eines groß angelegten Transformationsprojekts. Anfangs sprüht er vor Energie, packt an, übernimmt Verantwortung. Doch mit der Zeit hinterlässt die Doppelbelastung Spuren: müde Augen, ein schwererer Gang in den Besprechungsraum, kein Austausch mehr über die Ergebnisse des letzten Spieltages seines Lieblingsfußballvereins.
Dann kommt dieser eine Moment im Meeting. Er findet den Mut zu sagen: „Es ist alles zu viel.“
Du lässt die Worte wirken. Kein vorschnelles „Wir schaffen das schon“. Stattdessen schaust du ihn an, machst spürbar: Ich sehe dich. Ich höre dich. Du dankst ihm für das Herzblut, das er bisher investiert hat, AUFRICHTIG!
Ihr sprecht über Entlastung, Aufgabenverteilung, Unterstützung. Doch du bietest mehr als Lösungen: Du bietest einen SICHEREN RAUM – für Ehrlichkeit, für das Eingeständnis, dass vieles schwer ist, und für das Gefühl, damit nicht allein zu sein.
Eine Woche später folgt das nächste Gespräch. Pflichtschuldig breitet er den großen Projektplan der anstehenden Transformation aus. Du schiebst die Unterlagen beiseite und fragst: „Wie geht es dir heute – WIRKLICH?“
Diese Frage, genau in dieser Situation gestellt, wird eure Beziehung auf eine neue Ebene hieven. Da bin ich mir sicher!
1. Empathie verstehen: Spiegelneuronen, Resonanz und Abgrenzung
Empathie ist mehr als Mitgefühl im umgangssprachlichen Sinn. Sie ist ein neurobiologischer Vorgang, der auf Basis unserer Spiegelneuronen stattfindet. Wenn wir einen Menschen ansehen, der traurig ist, werden in unserem Gehirn – fast unmerklich – ähnliche Muster aktiviert. Wir spüren intuitiv, was im Gegenüber vorgeht. Dieses „Einfühlen“ ist evolutionär bedeutsam: Es schafft Verbindung, ermöglicht Kooperation und soziale Sicherheit.
Allerdings: Empathie allein reicht nicht. Wer sich nur einfühlt, läuft Gefahr, sich im Schmerz anderer zu verlieren oder die eigenen Grenzen zu übergehen. Deshalb ist es entscheidend, Empathie klar von Mitgefühl und Mitleid zu unterscheiden:
Empathie: Ich nehme wahr, was du fühlst.
Mitgefühl (Compassion): Ich bin dir zugewandt – mit dem Wunsch, dass es dir gutgeht.
Mitleid: Ich sehe dich als „leidend“ – und mich als überlegen.
Während Empathie nach außen gerichtet ist, beginnt Mitgefühl innen. Mitgefühl in der Führung bedeutet: Ich höre zu. Ich halte aus. Ich urteile nicht vorschnell.
Diese Haltung schafft psychologische Sicherheit – ein zentraler Faktor für Vertrauen und Innovationsfähigkeit.
2. Wissenschaftliche Fundierung: Was Forschung zeigt
Studien belegen, dass Mitgefühl mehr ist als eine nette Geste. Es verändert Führungswahrnehmung und Organisationskultur:
Eine Untersuchung der Universität Berkeley zeigte, dass mitfühlende Führungskräfte eher als kompetent, vertrauenswürdig und inspirierend wahrgenommen werden (Hu et al., 2020).
Eine Studie der Universität Toronto belegte, dass Selbstmitgefühl das Risiko für Burn-out signifikant reduziert und Resilienz im Arbeitskontext stärkt (Albertson et al., 2015).
Mitgefühl steigert also nicht nur das Wohlbefinden Einzelner, sondern wirkt als Katalysator für gesunde Hochleistungskulturen.
3. Mitgefühl mit sich selbst: Die oft vergessene Dimension
Ein Bereichsleiter steckt mitten in einer emotional belastenden Trennung. Die Versuchung ist groß, sich in Arbeit zu stürzen, um Privates zu verdrängen. Doch er entscheidet sich für Ehrlichkeit – zu sich selbst und seinem Umfeld:
„Diese Zeit fordert mich gerade sehr.“
Er erlaubt sich, dünnhäutiger zu sein. Erkennt an, dass er nicht alles perfekt meistern muss. Damit bricht er mit dem alten Glaubenssatz, Gefühle hätten im Büro keinen Platz.
Dieses Selbstmitgefühl öffnet Raum für Fürsorge: Pausen einhalten, Gespräche offener führen, Aufgaben neu priorisieren. Das macht ihn nicht schwächer – sondern nahbarer, menschlicher und in seiner Führungsrolle glaubwürdiger.
Selbstmitgefühl heißt, sich in Momenten von Druck oder Scheitern mit Verständnis zu begegnen – statt mit innerer Abwertung. Es bedeutet, Unvollkommenheit als Teil des Menschseins zu akzeptieren und achtsam mit Emotionen umzugehen.
4. Trainierbar? Ja – dank Neuroplastizität
Empathie und Mitgefühl sind keine starren Charaktereigenschaften. Sie lassen sich trainieren – wie Muskeln. Dank der Neuroplastizität unseres Gehirns können sich neuronale Muster verändern, wenn wir regelmäßig üben.
Was wirkt?
Achtsamkeit: Schon wenige Minuten tägliche Atem- oder Körperwahrnehmung verändern messbar Gehirnareale, die für Empathie und Selbstregulation zuständig sind.
Reflexion: Fragen wie „Wie ging es mir in dieser Situation?“ schärfen emotionales Differenzierungsvermögen.
Perspektivwechsel: Sich bewusst in andere hineinzuversetzen – auch wenn man nicht einverstanden ist – erweitert die empathische Bandbreite.
Sprache: Formulierungen wie „Ich verstehe, dass du gerade viel trägst…“ wirken regulierend – auf beide Seiten.
5. Achtsamkeit als Fundament
Achtsamkeit bedeutet Bewusstwerden – ohne vorschnelles Bewerten. Sie ist der Schlüssel, um Empathie nicht ins Mitleid kippen zu lassen, sondern in konstruktives Mitgefühl zu transformieren.
Achtsamkeit entschleunigt automatische Reiz-Reaktionsketten.
Sie entlarvt Narrative („Ich muss immer stark sein“) und öffnet neue Handlungsoptionen.
Sie stärkt das Vertrauen in Intuition und Körperintelligenz – wertvolle Ressourcen in Führungskontexten.
So entsteht eine innere Haltung, die sowohl Verbundenheit als auch Klarheit fördert.
6. Praktische Übungen für Führungskräfte
Check-in im Teammeeting: Statt direkt in Zahlen zu springen, kurze Frage an alle: „Wie geht es dir gerade – in 2-3 Sätzen?“
Empathie-Training: Beobachte im Gespräch bewusst Körpersprache und Tonfall – nicht nur Worte.
Selbstmitgefühl-Notiz: Jeden Abend eine Situation aufschreiben, in der du heute gnädig mit dir warst.
Diese kleinen Rituale schaffen große Wirkung, wenn sie regelmäßig gelebt werden.
7. Fazit: Empathie öffnet, Mitgefühl trägt
Führung zeigt sich nicht in der Zahl der Projekte, die du gleichzeitig jonglierst, sondern in der Art, wie du in Verbindung gehst – mit anderen und mit dir selbst.
Empathie öffnet die Tür.
Mitgefühl hält sie offen.
Selbstmitgefühl sorgt dafür, dass du selbst nicht draußen bleibst.
👉 Vielleicht ist jetzt der Moment, dich zu fragen: Wann war ich zuletzt wirklich empathisch – gegenüber meinen Mitarbeitenden oder mir selbst?
Wenn du spürst, dass du hier wachsen möchtest, lass uns ins Gespräch kommen. Gemeinsam finden wir gute Wege, wie du Empathie und (Selbst-) Mitgefühl im Führungsalltag verankerst.
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